Wieso Marie Kondo für mich NICHT funktioniert hat

Marie Kondo Kritik

Hallo, meine Name ist Wiebke und ich habe ein Problem. Ich bin richtig, richtig schlimm unordentlich. Schon immer, seit fast 28 Jahren.

Ich habe vor nichts mehr Respekt, als vor Leuten, denen es tagein tagaus gelingt, Ordnung zu halten. “Na dann räum’ doch einfach mal auf!” denken sich jetzt sicher einige. Haha! Genau da liegt das Problem. Ich kann einfach nicht aufräumen. Meine beste Freundin aus Schultagen hat in meinem Zimmer gern Detektivin gespielt und untersucht, wie beispielsweise ein Spitzer in die Sockenschublade kommt.

Meine Mutter ist deswegen schon immer sehr verzweifelt, sie hatte Hoffnung auf Änderung zu folgenden Events:
1. Auszug aus der elterlichen Wohnung in meine erste WG – hat alles nur noch schlimmer gemacht.
2. Erste eigene Wohnung mit meinem Freund – haha! Gleich und gleich gesellt sich gern. Nein. Auch nicht viel besser. Die Ambitionen waren da, aber der Schweinehund hat gewonnen.
3. Geburt unserer Tochter – leider nein. Außer ein paar hauruckartigen Aufräumaktionen vor Großelternbesuchen hat sich nicht viel geändert. Aber: zunehmens fühlte ich mich unwohl in unserer kleinen vollgestopften Wohnung.

Ein Umzug später und das gleiche Dilema, was mich und mittlerweile uns schon seit Jahren plagt. Vorm Erstgespräch mit der Tagesmutter werden erstmal alle Schubladen ausgekippt, weil der Impfausweis weg ist und die Geburtsurkunde seit dem Ausweis beantragen auch keiner mehr gesehen hat. Und wo ist der eigentlich gleich nochmal?
Mittlerweile fühle ich mich so unwohl, dass ich manchmal schlechte Laune habe. Wenn meine Tochter bei der Tagesmutter ist, arbeite ich lieber in der Küche, als am Schreibtisch. Da ist es ordentlich.

Auf Instagram & Pinterest habe ich im letzten Jahr einige gut sortierte Kleiderschränke und übersichtliche, ordentliche Räume gesehen. Versehen mit den Hastags #konmarimethod #magiccleaning oder #mariekondo .

Marie Kondo Kritik

Ich habe mich dann weiter informiert und fand das Ganze ehrlich gesagt schrecklich albern. Socken so falten, dass sie stehen können, mit Gegenständen sprechen – irgendwie nicht so meins. Letzte Woche habe ich mir dann ganz verzweifelt das Buch gekauft. Alberner als eine 27-jährige Mutter, die früh grundsätzlich keine Socken für sich findet, kann es eigentlich auch nicht mehr werden. Wenn die gute Marie mir helfen kann, ja, dann falte ich auch meine Socken und spreche mit ihnen.

Marie Kondo verspricht mir, dass ich, wenn mich mich an ihre Methode halte, nie wieder aufräumen muss. Ich muss laut lachen und finde sie schon wieder ganz schön albern, diese Marie.

Schnell wird mir klar, das Buch ist keine simple Anleitung, es ist eine Lebenseinstellung. Den wichtigsten und für mich wertvollsten Tipp des Buches erfährt man schon ziemlich zu Anfang: Weg mit dem Zeug, was dich nicht glücklich macht. Wir hatten einen prallgefüllten Bücherschrank. Ich fand das immer sehr dekorativ und die Leute haben gestaunt, wie viel wir lesen.

Aber nicht selten habe ich ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn all die ehrwürdigen Damen und Herren auf mich herab gesehen haben, manche beleidigt, weil ich sie nach 50 Seiten wieder aus der Hand gelegt habe. Heimlich lese ich gar nicht so gerne, wie die Anzahl der Bücher vermuten lässt. Kurzum: In unserem Bücherschrank stehen jetzt nur noch die Lieblinge, die wir mögen, die uns glücklich machen und die vielleicht sogar nochmal gelesen werden.

Dieses Prinzip lässt sich dann auf alle anderen Bereiche in einem Haushalt übertragen. Kleidung, die mir ein schlechtes Gefühl gibt, weil ich nicht mehr reinpasse und es vermutlich auch nie wieder tun werde. Der Pulli, den mir meine Oma gestrickt hat, dessen Farbe mir aber überhaupt nicht steht. All diese Dinge haben zukünftig keinen Platz mehr bei mir.

Soweit gehe ich mit Frau Kondo mit. Ich habe von ihr gelernt, dass es sich nicht lohnt, Gegenstände aus Höflichkeit oder schlechtem Gewissen aufzuheben. Was mich nicht froh macht, das muss mich auch nicht umgeben.

Allerdings komme ich hier schnell an meine Grenzen. Viele Sachen lösen in mir jetzt nicht direkt Endorphine aus, aber sie sind unersätzlich. Zum Beispiel mein Laptop. Er ist schon ziemlich in die Jahre gekommen. Eigentlich müsste er ersetzt werden, er ist langsam, laut und nervt mich ziemlich oft.  Ich brauche ihn für Studienbelege und zum Arbeiten, einen neuen kann ich mir nicht leisten. Einige meiner Sachen sind schon ziemlich alt, vieles habe ich bei H&M, Zara und Konsorten gekauft. Ich fühle mich manchmal schlecht, wenn ich sie trage, weil ich die Herstellungsbedingungen nicht mehr ignorieren kann. Doch abzüglich der Sachen, die mir nicht gefallen oder nicht mehr passen, würde dann nur noch ein sehr kleiner Stapel Kleidung übrigbleiben. Und irgendwas muss ich ja anziehen.

Einige Hinweise finde ich richtig furchtbar. So wird verlangt, dass man alles aussortierte einfach wegschmeißt. Marie Kondo misst ihren Erfolg teilweise an der Anzahl der Müllsäcke, die sie aus den Wohnungen ihrer Kundschaft trägt. Darunter viele ungenutzte Dinge, Kleidung, an denen noch Preisschilder hängen. In Zeiten von vollen Flüchtlingsunterkünften und steigender Armut weltweit finde ich das unangebracht. Mir scheint es, als wäre allein die Möglichkeit, so wählerisch mit seinem Besitz umgehen zu können, ein reiner Luxus. Ich schmeiße nichts weg und bringe meine aussortierte Kleidung und Haushaltsgegenstände lieber in das nächste Sozialkaufhaus. Was mir überdrüssig ist, wird woanders dringend gebraucht.

Ich möchte mich auch nicht abends bei meiner einen Handtasche bedanken und ihr einen schönen Feierabend wünschen. Ich fühle mich komisch dabei, materielle Dinge so zu vermenschlichen. Dennoch finde ich den Gedanken wichtig, sein Hab und Gut sorgfältig zu behandeln. Das muss ja nicht gleich verbal passieren, jedoch es ist sicher kein Fehler, die Tasche am Abend von der Ladung Sandkasten und Fruchtriegelresten zu befreien.

Und? Hat Magic Cleaning mich odentlich gemacht?

Das muss ich ganz klar mit nein beantworten. Aber ich zweifel auch daran, dass Marie und ich gut zusammenpassen. Vielleicht bin ich aber auch nur ein hoffnungsloser Fall. Marie Kondo wurde immerhin zu eine der 100 einfussreichsten Menschen der Welt gekürt.

Vielleicht passt das Konzept auch nicht so richtig in mein Leben. Was mich nicht froh macht, das muss mich auch nicht umgeben – in meinem Fall hat Magic Cleaning sich irgendwie selber abgeschafft.

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